Wer kennt es nicht: Nach intensivem Sport oder ungewohnten Belastungen schmerzen, Muskeln und Gelenke, Arme und Beine fühlen sich schwer an, und jede Bewegung fällt schwer. Dieses Phänomen nennt sich Muskelkater und ist den meisten Menschen bestens bekannt. Doch warum betrifft dieses schmerzhafte Phänomen eigentlich nie unser Herz? Immerhin schlägt unser Herz täglich mehr als 100.000 Mal – ohne Pausen und scheinbar ohne Probleme. Warum bekommt der Herzmuskel keinen Muskelkater?
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Was ist Muskelkater eigentlich genau?
Muskelkater tritt typischerweise nach ungewohnten oder intensiven Belastungen auf. Der Schmerz entsteht durch winzige Risse in den Muskelfasern (Mikrotraumata), begleitet von lokalen Entzündungsprozessen. Zusätzlich kommt es oft zu einer Ansammlung von Stoffwechselprodukten, insbesondere Milchsäure (Laktat), wenn Muskeln anaerob, also ohne ausreichenden Sauerstoff, arbeiten müssen (Armstrong et al., 1984).
Muskelkater ist also das Ergebnis einer Kombination aus mechanischer Überlastung und biochemischen Prozessen innerhalb der Muskulatur. Die Schmerzen beginnen oft einige Stunden nach der Belastung und erreichen ihren Höhepunkt nach etwa 24 bis 48 Stunden (Clarkson et al., 1999).
Warum bekommt der Herzmuskel keinen Muskelkater?
Obwohl der Herzmuskel (Myokard) ein quer gestreifter Muskel ist, ähnlich wie unsere Skelettmuskeln, weist er doch wesentliche Unterschiede auf:
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Besonderer Aufbau des Herzmuskels
Der Herzmuskel besteht aus spezialisierten Herzmuskelzellen (Kardiomyozyten). Diese Zellen arbeiten autonom und sind elektrisch miteinander gekoppelt. Diese Struktur ermöglicht ein gleichmäßiges und koordiniertes Zusammenziehen (Kontraktion) des gesamten Herzens, was zu einer sehr effizienten Arbeit führt (Opie, 2004).
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Keine explosiven Belastungsspitzen
Skelettmuskeln werden häufig abrupt, intensiv und phasenweise belastet. Dabei können die oben genannten Mikroverletzungen entstehen. Das Herz hingegen arbeitet rhythmisch und kontinuierlich – zwar oft schnell, aber ohne plötzliche extreme Belastungsspitzen, wie sie beim Gewichtheben oder Sprinten vorkommen.
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Aerober Energiestoffwechsel – kein Laktatüberschuss
Ein weiterer entscheidender Unterschied ist die Art des Energiestoffwechsels. Der Herzmuskel arbeitet nahezu ausschließlich aerob, also mit ausreichendem Sauerstoffangebot. Dies führt dazu, dass der Herzmuskel seine Energie überwiegend aus Fettsäuren und Glukose gewinnt. Im Gegensatz zur anaeroben Energiegewinnung entsteht hierbei kaum Laktat, das für die Übersäuerung und Ermüdung der Muskulatur verantwortlich gemacht wird (Taegtmeyer et al., 2016).
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Hohe Mitochondriendichte – Energiereiche Powerzellen
Die Herzmuskelzellen enthalten besonders viele Mitochondrien, die „Kraftwerke“ der Zellen. Diese hohe Mitochondriendichte sorgt für eine maximale und effiziente Sauerstoffverwertung, sodass der Herzmuskel selbst unter Dauerbelastung nicht übersäuert und keine schädigenden Stoffwechselprodukte anhäuft (Kolwicz et al., 2013).
Das Herz: Ein perfekter Dauerläufer
Die einzigartige Ausstattung und Funktionsweise machen das Herz zu einem idealen Ausdauermuskel, der problemlos jahrelang, sogar jahrzehntelang, kontinuierlich aktiv sein kann. Während Skelettmuskeln gelegentliche Ruhepausen zur Regeneration benötigen, ist der Herzmuskel an kontinuierliche Arbeit angepasst und sogar darauf angewiesen. Ruhephasen für das Herz wären sogar lebensbedrohlich.
Was passiert, wenn das Herz doch „Ermüdungssymptome“ zeigt?
Normalerweise zeigt der Herzmuskel keine typischen Ermüdungserscheinungen wie Muskelkater. Wenn jedoch Symptome wie Atemnot, Engegefühl in der Brust oder Herzrhythmusstörungen auftreten, sind das Warnsignale, die nicht ignoriert werden dürfen. Diese Symptome können Anzeichen für ernsthafte Herzerkrankungen wie eine koronare Herzkrankheit, Herzschwäche oder Rhythmusstörungen sein und müssen umgehend medizinisch abgeklärt werden (Thygesen et al., 2018).
Praktische Hinweise für ein gesundes Herz
Auch wenn der Herzmuskel selbst keinen Muskelkater bekommt, heißt das nicht, dass er grenzenlos belastbar ist. Ein gesundes Herz profitiert von regelmäßiger, moderater körperlicher Aktivität, die seine Ausdauerfähigkeit stärkt und vor Herz-Kreislauf-Erkrankungen schützt. Ideal sind Aktivitäten wie schnelles Gehen, Radfahren, Schwimmen oder moderates Jogging, um die Ausdauer zu fördern, ohne den Herzmuskel zu überfordern (Piepoli et al., 2016).
Ebenso wichtig ist eine ausgewogene Ernährung, die den Herzmuskel optimal mit Nährstoffen versorgt und Übergewicht sowie hohe Cholesterin- oder Blutzuckerwerte vermeidet.
Fazit: Warum hat das Herz keinen Muskelkater?
Der Herzmuskel kennt keinen Muskelkater, da er anatomisch und stoffwechseltechnisch perfekt an seine Dauerbelastung angepasst ist. Er arbeitet aerob, verfügt über eine hohe Zahl energieproduzierender Mitochondrien und vermeidet so Übersäuerung und Mikroverletzungen.
Doch gerade, weil das Herz keine klassischen Warnsignale wie Muskelkater zeigt, ist es besonders wichtig, mögliche Herzsymptome ernst zu nehmen und frühzeitig medizinische Hilfe in Anspruch zu nehmen.
Literaturverzeichnis
- Armstrong, R. B. (1984). Mechanisms of exercise-induced delayed onset muscular soreness: a brief review. Medicine and Science in Sports and Exercise, 16(6), 529-538.
- Clarkson, P. M., & Hubal, M. J. (1999). Exercise-induced muscle damage in humans. American Journal of Physical Medicine & Rehabilitation, 78(6), S52-S69.
- Opie, L. H. (2004). Heart Physiology: From Cell to Circulation. Lippincott Williams & Wilkins.
- Taegtmeyer, H., Young, M. E., Lopaschuk, G. D., Abel, E. D., Brunengraber, H., Darley-Usmar, V., … & Gardemann, A. (2016). Assessing cardiac metabolism: A scientific statement from the American Heart Association. Circulation Research, 118(10), 1659-1701.
- Kolwicz, S. C., Purohit, S., & Tian, R. (2013). Cardiac metabolism and its interactions with contraction, growth, and survival of cardiomyocytes. Circulation Research, 113(5), 603-616.
- Thygesen, K., Alpert, J. S., Jaffe, A. S., Chaitman, B. R., Bax, J. J., Morrow, D. A., & White, H. D. (2018). Fourth universal definition of myocardial infarction. European Heart Journal, 40(3), 237-269.
- Piepoli, M. F., Hoes, A. W., Agewall, S., Albus, C., Brotons, C., Catapano, A. L., … & Graham, I. (2016). European Guidelines on cardiovascular disease prevention in clinical practice. European Heart Journal, 37(29), 2315-2381.